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Fachartikel

Die Rolle des Chief Data Officers für die Digitalisierung

von Kristin Weber

Daten sind das Fundament der digitalisierten Wirtschaft [OtÖ16]. Daten erlauben Innovationen – seien es neue Dienstleistungen, Vertriebs- und Preismodelle, Geschäftsmodelle oder ganze Ökosysteme. Mit der digitalen Transformation steigt die Menge an verfügbaren Daten aller Art ins fast Unermessliche (Stichwort „Big Data“). Um diese Daten als wichtige strategische Ressource im digitalen Wettbewerb nutzen zu können, müssen Unternehmen erst einmal die organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen. Unternehmen müssen Daten bewirtschaften wie jedes andere Wirtschaftsgut auch, nämlich nach Kosten, Zeit und Qualität.

Immer mehr Unternehmen ernennen mit dem Chief Data Officer (CDO)  eine für das Datenmanagement verantwortliche Person auf der obersten Leitungsebene [LMW14]. Gartner schätzt, dass 90 Prozent aller Großunternehmen bis 2020 einen CDO haben werden, von denen aber nur 50 Prozent erfolgreich sind [Ben16]. Einer der Gründe für den mangelnden Erfolg ist das unzureichende Verständnis über die Rolle des CDO – seine Aufgaben, seine Fähigkeiten und seine organisatorische Einordnung.
Dieser Beitrag untersucht aus den Blickwinkeln Theorie und Praxis, welche Rolle der CDO im Rahmen der digitalen Transformation einnimmt, und leitet daraus Handlungsempfehlungen ab.

Chief Data Officer

Der Chief Data Officer leitet das unternehmensweite Datenmanagement und ist für Datenqualitätsmanagement, Data Governance und den Aufbau einer Datenkultur zuständig [LMW14]. Er verantwortet die gesamte datenbezogene Wertschöpfungskette: von der Datenplanung und Datenbeschaffung über die Datenorganisation, Datenintegration und Datennutzung bis zur Datenentsorgung. Er unterstützt Business Intelligence durch Data Mining, Data Analytics und Data Science. Das Top-Management berät der CDO in datenbezogenen Fragestellungen.

In Abgrenzung zum Chief Digital Officer, der die gesamte digitale Transformation verantwortet, was beispielsweise die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle beinhaltet, beschäftigt sich der CDO ausschließlich mit den dafür notwendigen Daten (vgl. Abbildung 1). Sind beide Rollen im Unternehmen existent, übernimmt der Chief Digital Officer die Rolle als Impuls- und Ideengeber der digitalen Transformation. Der CDO liefert die dafür notwendigen Daten [Bau17].

Als Verantwortlicher für das Datenmanagement nimmt der Chief Data Officer viele Aufgaben im Unternehmen wahr und kann organisatorisch an verschiedenen Stellen im Unternehmen eingeordnet sein. Für die vielfältigen Aufgaben sind bestimmte Fähigkeiten beim CDO unabdingbar.
Im Folgenden werden die Aufgaben des CDO, seine organisatorische Einordnung und seine Fähigkeiten näher beleuchtet. Als Quellen für diese Betrachtung dienten wissenschaftliche und praxisorientierte Veröffentlichungen (vor allem [Ebb14; LMW14; Bus15; PwC15; ZhM16; DaD17; Ear17; Ste17; Ber17]). Um mehr über die Rolle des CDO in der Praxis zu erfahren, werden der Literatur Erkenntnisse aus fünf Interviews gegenübergestellt. Die Interviews wurden im Mai 2017 telefonisch mit Personen aus dem deutschsprachigen Raum geführt, die in ihren Institutionen die Rolle des CDO innehaben. Für die Interviews wurde ein semistrukturierter Interviewleitfaden erstellt. Die Interviewpartner waren zwei Frauen und drei Männer zwischen 35 und 55 Jahren. Die Institutionen der CDOs sind dem öffentlichen Sektor (2), dem Bankwesen (2) und der Medizintechnik (1) zuzuordnen.

Aufgaben des Chief Data Officers

Der CDO überwacht und verantwortet das unternehmensweite Datenmanagement. Dazu leitet er – je nach Größe des Unternehmens – ein Team von Datenexperten. Die Aufgaben und Prozesse des klassischen Datenmanagements weiten sich durch die Digitalisierung und die gestiegene Bedeutung der Daten aus.

Datenqualitätsmanagement


Datenqualitätsmanagement

Aufgabe des Datenqualitätsmanagements ist die Analyse, Verbesserung und Sicherung der Qualität der Unternehmensressource Daten. Der CDO sucht eine kostenoptimale Kombination aus präventiven und reaktiven Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität [OtÖ16]. Präventiv heißt, Ursachen für Datendefekte zu erkennen und sie zu beseitigen, um Risiken und Kosten infolge mangelnder Datenqualität zu vermeiden. Präventive Maßnahmen sind beispielsweise die Durchführung von Schulungen für Datenerfasser oder die Aufstellung von Prüfregeln für die manuelle Dateneingabe. Reaktive Maßnahmen zielen darauf ab, bestehende Datendefekte zu entdecken und zu beheben. Ein Beispiel ist, Adressdaten gegen externe Referenzdaten zu prüfen und die gefundenen Fehler auszubessern.

Das Datenqualitätsmanagement wird von den Praktikern als Aufgabenschwerpunkt eines CDO genannt. Der Fokus liegt dabei eher auf reaktiven Maßnahmen. Die CDOs überwachen und messen die Datenqualität anhand von Prüfregeln und unterstützen bei der Datenbereinigung.

„Wir überwachen lediglich, ob die Data Owner ihrer Qualitätskontrolle nachkommen. Bei uns sind die Data Owner dafür verantwortlich, dass die Datenqualität den Vorgaben entspricht. Sie müssen Maßnahmen initiieren, damit das so bleibt, beziehungsweise damit sich die Qualität verbessert.“

Data Governance


Data Governance

Im Rahmen von Data Governance identifiziert der CDO unternehmensweit Verantwortlichkeiten für das Datenmanagement und setzt diese organisatorisch um [Web12]. Er definiert Richtlinien und Vorgaben für den Umgang mit und die Pflege von Daten gemäß den strategischen und operativen Zielen des Unternehmens und sorgt für deren Einhaltung. Data Governance lässt sich den präventiven Datenqualitätsmaßnahmen zuordnen.

Data Governance ist ein wichtiger Bestandteil der Aufgaben eines CDO in der Praxis. Die CDOs stellen Data-Governance-Konzepte auf und überprüfen deren Einhaltung.

„In jedem Projekt, das sich mit Daten, Datenhaltung und Reporting beschäftigt, versuchen wir unsere Data-Governance-Richtlinien umzusetzen. Ich werde zum Projekt hinzugezogen und mache datenbezogene Vorgaben. Zwischendurch beurteile ich, ob die Vorgaben erfüllt werden und die Zielsetzung des Projekts zur Data Governance konform ist.“

Datenlebenszyklus


Datenlebenszyklus

Der CDO ist für den gesamten Datenlebenszyklus von der Datenbeschaffung über die Datenanalyse bis hin zur Datenentsorgung verantwortlich. In der Praxis fokussiert das Lebenszykluskonzept vor allem auf die Datenlöschung.

„Wir sind dabei, einen Datenlebenszyklus aufzubauen, das heißt, wir überlegen, wann Daten gelöscht werden müssen. Wir wollen die vorhandenen Systeme nutzen, um Daten systematisch und automatisiert zu löschen. Durch den effizienten Umgang mit Daten wollen wir Kosten, vor allem Speicherkosten, sparen.“

Business Intelligence und Datenanalyse


Business Intelligence und Datenanalyse

Im Rahmen der Digitalisierung wird die Masse an zur Verfügung stehenden Daten sinnvoll verknüpft, sodass ein Mehrwert für das Unternehmen geschaffen wird (vgl. Kasten: Typische Nutzungsszenarien von (Big) Data und Datenintegration). Der CDO entwickelt und nutzt unterschiedliche Analyseverfahren wie Predictive, Social, Visual und Location Analytics. Der CDO überwacht Projekte, die Informationen aus unterschiedlichen Datenquellen integrieren, interpretieren und die „Datenprodukte“ für das Unternehmen zur Verfügung stellen.

In den Interviews wurden keine Aufgaben im Bereich Business Intelligence und Datenanalyse genannt. Die CDOs sind jedoch für alle datenbezogenen Projekte verantwortlich und übernehmen viele Aufgaben des Projektmanagements, häufig auch als Projektleiter.

Datenarchitektur und Dateninfrastruktur


Datenarchitektur und Dateninfrastruktur

Der CDO analysiert die Unternehmensprozesse und erstellt aus datenarchitektonischer Sicht eine „Datenlandkarte“, mit dem Ziel, schneller qualitativ hochwertige Datenprodukte zu liefern. Der CDO ist ebenso für die Weiterentwicklung der Dateninfrastruktur zuständig. Er initiiert zum Beispiel Änderungen an datenhaltenden und datenverarbeitenden Systemen. Er beschafft und pflegt Tools für Datenanalyse und Datenvisualisierung.

Die CDOs nennen Daten- und Geschäftsobjektmodellierung sowie Metadatenmanagement als ihre Aufgaben. Ebenso kümmern sie sich um Tools zur Messung der Datenqualität und zum Metadatenmanagement.

„Einer meiner Mitarbeiter sorgt dafür, dass unser neues Datenqualitäts-Tool richtig genutzt wird, und berät die Fachabteilungen, die in der Anwendung dieses Tools noch Schwierigkeiten haben. Er prüft auch, ob wir vernünftige Datenqualitätsmessungen an den richtigen Stellen im System durchführen.“

Datenkultur / Kommunikation


Datenkultur / Kommunikation

Als Digitalisierungsexperte und Hauptverantwortlicher für das unternehmensweite Datenmanagement steht der CDO im Mittelpunkt für alle Anfragen, aber auch Bedenken zu diesen Themen. Er ist Moderator und Motivator. Er weist auf den richtigen Umgang mit Daten hin, zeigt den Nutzen für das Unternehmen und klärt über die Chancen von Data Science auf. Er bespricht sich mit den Abteilungen, um neue Datenprodukte zu entwickeln. Der Geschäftsführung erläutert er den strategischen Wert von Daten als Wirtschaftsgut („Asset“). Der CDO will über alle Hierarchieebenen hinweg eine Datenkultur etablieren.

Die Praktiker betonen, dass eine ihrer wichtigsten Aufgaben als CDO ist, das Bewusstsein für die Bedeutung der Daten im Unternehmen zu stärken und die Mitarbeiter für das Thema zu sensibilisieren. Sie motivieren die Abteilungen zur Mitarbeit in Datenprojekten und kommunizieren die Vorteile und die Bedeutung von Daten für das Geschäft.
Der CDO dient als Schnittstelle zwischen IT und den Fachabteilungen. Er ist Ansprechpartner für die Fachabteilungen in datenbezogenen Fragestellungen und berät sie.

„Häufig ist es so: Ich gehe in die Abteilungen und spreche über das Thema Daten. Alle rollen mit den Augen. Sie sagen, sie haben es verstanden, aber sie müssen Geschäfte machen und Geld verdienen. Ich mache ihnen dann klar, dass sie viel besser Geschäfte machen können, wenn sie mit mir sprechen und wir gemeinsam an Lösungen arbeiten.“

Open Data


Open Data

Die zwei Interviewpartner, die im öffentlichen Sektor arbeiten, nannten als weitere Aufgabe eines CDO die Verantwortung für Open Data bzw. Open Government Data. Open Data sind Daten, die frei verfügbar und ohne technische Restriktionen verwendbar sind [JAB13]. Werden diese Daten von Regierungen oder Behörden herausgegeben, handelt es sich um Open Government Data. Typische Beispiele für Open Government Data sind Populationsdaten, Wahlergebnisse, Gesundheitsstatistiken oder Bebauungspläne. Die CDOs identifizieren, welche Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden sollen. Sie legen Metadaten für die Beschreibung der Daten fest und stellen die Daten über ein Portal bereit.

Einordnung des Chief Data Officers in die Organisationsstruktur

Die Aufgaben des CDO bestimmen seine organisatorische Einordnung im Unternehmen. Die Bezeichnung „Chief X Officer“ impliziert immer eine Zuordnung zur obersten Managementebene als Teil der Unternehmensführung. Und auch nur hier kann der CDO seine unternehmensweite Verantwortung und Führungsrolle für das strategisch wichtige Datenmanagement im Rahmen der Digitalisierung wahrnehmen. Damit grenzt sich der CDO deutlich von den bisher für das Datenmanagement verantwortlichen Rollen wie Datenmanagern oder Data Stewards ab. Diese sind meist der mittleren oder unteren Managementebene zugeordnet und sind für die Finanzierung wie auch für strategische Entscheidungen auf einen „Sponsor“ bzw. Unterstützer in der Unternehmensleitung angewiesen [Web12]. Mit dem CDO ist dieser Sponsor für alle Datenmanager und Data Stewards im Unternehmen gefunden.

Ist der CDO Teil der Unternehmensführung, berichtet er an den CEO. Je nach Bedeutung der Daten im Unternehmen lassen sich auch andere Berichtswege finden. Werden Daten vorrangig im Marketing und Vertrieb genutzt, kann der CDO auch an den Chief Marketing Officer berichten. Ist das Thema Industrie 4.0 oder digitale Produktion ein wesentlicher Treiber fürs Datenmanagement, kann der CDO dem Chief Technology oder Operating Officer zugeordnet sein. Da Daten ursprünglich ein reines IT-Thema waren, ist auch der Berichtsweg Richtung CIO zu finden. In der Regel führt der CDO ein kleines Team oder eine kleine Abteilung von Data Analysts und Data Scientists mit eigenem Budget.

Die Interviewpartner sagten aus, dass die Rolle des CDO unter anderem geschaffen wurde, um den Mitarbeitern zu verdeutlichen, wie wichtig Daten als Asset für das Unternehmen sind.

„Wir wollten einen Akzent für den Umgang mit Daten setzen und auch die öffentliche Wahrnehmung stärken. Deswegen wurde dieses Amt geschaffen. Die Geschäftsleitung wollte damit betonen, dass wir wirklich auf unsere Daten schauen und Themen wie Datensicherheit, Datenqualität und Datenschutz ernst nehmen.“

Keiner der Interviewpartner ist Teil der Unternehmensleitung. Die CDOs sind der unteren oder mittleren Führungsebene zugeordnet. Ein CDO ist lediglich Mitglied eines Expertenteams, hat also keine Leitungsfunktion. Die CDOs berichten an den CIO oder direkt an den Vorstand. Zwei CDOs sind dabei als Stabsstelle organisiert. Ein CDO ist im Bereich Unternehmensentwicklung und Strategie tätig.
Nicht alle interviewten CDOs leiten eine Abteilung. Manche haben nur temporär Projektmitarbeiter oder führen ein Team von externen Beratern. Die Teams haben zwischen zwei und sechs Mitarbeitern. Die Teammitglieder heißen zum Beispiel Datenarchitekten, Data Stewards oder Data Quality Manager und kommen aus den Bereichen Finanzwesen, Risikocontrolling, Softwareentwicklung, Marketing oder Statistik.

Fähigkeiten eines Chief Data Officers

Der ideale CDO ist ein Multitalent. Neben fundiertem IT-Know-how sollte der CDO Kenntnisse über die Chancen der digitalen Transformation mitbringen. Sein Verständnis für Daten und deren Nutzung sollte so ausgeprägt sein, dass er in Datenströmen denkt und datengetriebene Geschäftsmodelle versteht. Der CDO sollte – analog zu seinen Aufgaben – Kenntnisse und Erfahrungen im Datenqualitätsmanagement, in Data Governance, in der Datenmodellierung und in der Datenarchitektur aufweisen können. Er sollte wissen, wie die Effizienz, Qualität und Effektivität von Daten gemessen werden kann. Technologien für Big Data wie Business Intelligence, Data Mining, Machine Learning und Data Analytics sollte er kennen und entsprechend einsetzen.

Neben seiner Kerndisziplin sollte der CDO auch betriebswirtschaftliche Themen beherrschen. Vor allem sollte er in der Lage sein, die technischen Möglichkeiten mit unternehmerischem Blick zu bewerten. Dazu benötigt er einen umfassenden Überblick über das gesamte Unternehmen, dessen Strategie, Kunden, Geschäftsprozesse, Produkte bzw. Dienstleistungen, Märkte, gesetzliche Rahmenbedingungen, Partner und Wettbewerber.

Das Fähigkeitsprofil des CDO wird durch seine Soft Skills abgerundet. Er muss verschiedene „Sprachen“ sprechen, das heißt zwischen technischen und fachlichen Anforderungen übersetzen können und auch mit Führungskräften überzeugend kommunizieren. Er benötigt Überzeugungskraft, kommunikative Fähigkeiten, hohe Sozialkompetenz, Führungsqualitäten, Organisationstalent und analytische Fähigkeiten.

Die Interviewpartner haben alle einen Studienabschluss, jedoch in unterschiedlichen Fächern, wie zum Beispiel Mathematik oder BWL. Keiner hat ein IT-spezifisches Studium absolviert. Die CDOs sind aber IT-affin und haben Erfahrungen im Umgang mit Daten und Datenbanken.

„Im Laufe meiner Berufsjahre habe ich eine gewisse IT-Affinität entwickelt. Ich kann mich mit IT-Systemen auseinanderzusetzen, bin aber nicht in der Lage, etwas zu programmieren. Wenn mir ein IT-Kollege sagt, dass bestimmte Anforderungen umgesetzt werden können oder eben nicht, dann kann ich gut einschätzen, ob das stimmt.“

Die CDOs besitzen Wissen über Prozesse und die IT-Systemlandschaft. Das in der Literatur genannte strategische betriebswirtschaftliche Denken und Verstehen wurden von den Praktikern nicht genannt. Die CDOs weisen Soft Skills und Methodenwissen eine große Bedeutung zu. Dazu zählen zum Beispiel Kommunikationsfähigkeiten, die Vernetzung innerhalb des Unternehmens und Projektmanagement. Die CDOs sehen sich als Übersetzer zwischen den Fachabteilungen und der IT.

Fazit: Es gibt nicht DEN Chief Data Officer

Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts – der Rohstoff der digitalen Transformation. Und der Chief Data Officer ist für diesen Rohstoff, dieses Wirtschaftsgut, verantwortlich. Als Teil der obersten Führungsebene des Unternehmens kann er dieser Verantwortung gerecht werden. Um unternehmensinterne und unternehmensexterne Daten für innovative Geschäfts- und Vertriebsmodelle, neue Produkte und Dienstleistungen, Performanceverbesserungen und die Erfüllung regulatorischer Vorgaben zu nutzen, übernimmt er eine Vielzahl an Aufgabenbereichen: Data Governance, Datenqualitätsmanagement, Business Intelligence, Datenlebenszyklusmanagement, Gestaltung der Datenarchitektur und Etablierung einer Datenkultur.

Dem Bild, das die Literatur vom CDO zeichnet, wird der CDO in der Praxis noch nicht gerecht. Es entsteht der Eindruck, dass Institutionen allein durch die Benennung eines fähigen Mitarbeiters zum CDO die digitale Transformation vorantreiben wollen. Die interviewten CDOs haben bei weitem nicht die strategisch bedeutsame Position in ihren Institutionen, die nötig wären, um als „Enabler“ der digitalen Transformation zu fungieren [PwC15]. Die Aufgaben und Position des CDO in der Praxis sind eher der taktischen und operativen Ebene zuzuordnen. Die für die digitale Transformation entscheidenden Aufgaben Data Analytics, Datenintegration und Business Intelligence nehmen sie noch zu wenig wahr. Sie sind nicht Teil der obersten Führungsebene und somit auch nicht in der Lage, unternehmensweite Entscheidungen zu treffen. Um die Bedeutung der Daten für das Geschäft des Unternehmens zu verstehen, müssen die CDOs das Geschäft des Unternehmens verstehen. Betriebswirtschaftliche Fähigkeiten sind bei den Interviewpartnern allerdings nur eingeschränkt vorhanden.

Es gibt nicht die eine Rolle des CDO. Unternehmen, die den Rohstoff Daten strategisch nutzen wollen, sollten daher zunächst analysieren, welche Daten sie für welchen Zweck zukünftig verwenden wollen. Dann gilt es, den dafür „passenden“ Chief Data Officer zu ernennen. Neben Kenntnissen in IT und Data Analytics sollte er vor allem die Daten gut kennen und deren Potenzial für das Unternehmen betriebswirtschaftlich einschätzen können. Den Unternehmen muss bewusst sein, dass es ein langfristiges Vorhaben ist, eine Datenkultur zu etablieren und die Datenlandschaft fit für die digitale Transformation zu machen.

Der CDO braucht ein eigenes Budget und ein Team von Experten, das ihn bei seinen Aufgaben unterstützt. Idealerweise gehört er der obersten Führungsebene an und kann so auf Augenhöhe mit den anderen Verantwortlichen diskutieren und strategische Entscheidungen treffen [Ben16]. Der CDO muss in die vorhandenen IT-Governance- bzw. Data-Governance-Strukturen integriert werden. Langfristig verfolgt der CDO eine klare datengetriebene Strategie. Gleichzeitig muss es ihm gelingen, kurz- und mittelfristig erfolgreiche Datenprojekte durchzuführen, die seine Position und Rolle im Unternehmen festigen. Die Ernennung eines CDO lohnt sich – Untersuchungen bestätigen, dass Unternehmen mit CDO erfolgreicher sind als Unternehmen ohne CDO [XZH16].


Typische Nutzungsszenarien von (Big) Data und Datenintegration

Marketing und Vertrieb: Die Anreicherung bestehender CRM-Systeme mit neuen Datenquellen, wie Social Media, Webdaten oder Open Data, generiert nutzbare Informationen für Vertriebs- und Marketingprozesse. Das Marketing identifiziert durch einen 360-Grad-Blick gezielt potenzielle Kunden und erstellt für jeden einzelnen passende Angebote. Eine intensivere Beobachtung von Markt und Wettbewerb durch Social- und Web-Analysen zeigt frühzeitig Stimmungsbilder gegenüber Produkten auf und erlaubt eine schnelle Anpassung von Vertriebs- und Marketingstrategien.

Produktion: Die rasant zunehmende Digitalisierung der Produktion, eine abnehmende Fertigungstiefe und der Trend hin zu Industrie 4.0 sind ein ideales Einsatzgebiet für Predictive Maintenance. Die vollständige Vernetzung und der großflächige Einsatz von Sensoren ermöglichen eine vorausschauende Wartung von Produktionsanlagen und -maschinen und somit eine Reduktion der Kosten durch Ausfall und Reparatur.

Informationssicherheit: Predictive Analytics und Process Mining werten polystrukturierte Log-Files von Großrechnern, Servern, Applikationen, Clients etc. und Kommunikationsprotokolle aus. Ein Vorteil für die Informationssicherheit: Durch die Integration verschiedener Datenquellen können verdächtige Aktivitäten frühzeitig erkannt und an die Entscheidungsträger herantragen werden.

Logistik: Die zunehmende Vernetzung von Transportmitteln in Lieferketten mittels Sensoren und Steuerungsmodulen und die Integration der Datenströme erlauben Rückschlüsse auf Kraftstoffverbrauch, Position und Zustand. Die Logistik kann Transporte, Routen und Beladung gezielter planen und somit Kosten durch Leerfahrten verringern. Anfallende Wartungsintervalle und Stillstandszeiten lassen sich ebenfalls reduzieren.


Literatur

[Bau17] Baumann, A.: Chief Data Officer vs. Chief Digital Officer. In: Camelot Digit. Excell. Blog, 2017, camelot-digital.com/blog/chief-data-officer-vs-chief-digital-officer/, abgerufen am 16.9.2018

[Ben16] Bennett, J.: Why Only Half of CDOs Are Poised for Success. In: Smarter with Gartner, April 2016, www.gartner.com/smarterwithgartner/half-of-cdos-succeed/, abgerufen am 24.10.2018

[Ber17] Berkooz, G.: How Chief Data Officers Can Get Their Companies to Collect Clean Data. In: Harv. Bus. Rev. 2017, hbr.org/2017/02/how-chief-data-officers-can-get-their-companies-to-collect-clean-data, abgerufen am 16.9.2018

[Bus15] Buschbacher, F.: Der Chief Data Officer führt Unternehmen in das digitale Zeitalter. In: Lang, M. (Hrsg.): Handbuch Business Intelligence – Potenziale, Strategien und Best Practices. Symposium, Düsseldorf 2015, S. 155–174

[DaD17] DalleMule, L. / Davenport, T. H.: What’s your data strategy? In: Harv. Bus. Rev. 95, 2017, S. 112–121

[Ear17] Earley, S.: The Evolving Role of the CDO. In: IT Prof 19, 2017, S. 64–69

[Ebb14] Ebbage, A.: The data deciders. In: Eng Technol 9, 2014, S. 56–59

[JAB13] Jetzek, T. / Avital, M. / Bjørn-Andersen, N.: Generating value from open government data. In: 34th International Conference on Information Systems, Mailand 2013

[LMW14]
Lee, Y. / Madnick, SE. / Wang, R. Y. et al.: A cubic framework for the chief data officer: Succeeding in a world of big data. In: MIS Q Exec 13, 2014, S. 1–13

[OtÖ16] Otto, B. / Österle, H.: Corporate Data Quality: Voraussetzung erfolgreicher Geschäftsmodelle. Springer Gabler, Berlin Heidelberg 2016

[PwC15] PricewaterhouseCoopers: Great expectations: The evolution of the chief data officer. PricewaterhouseCoopers 2015

[Ste17] Steele, J.: Understanding the Chief Data Officer – Lessons and Advice from The Role’s Pioneers. 2. Aufl., O’Reilly, Sebastopol 2017

[Web12]
Weber, K.: Data Governance – Organisation des Stammdatenmanagements. In: IT-Gov 2012, S. 3–8

[XZH16] Xu, F. / Zhan, H. / Huang, W. et al.: The Value of Chief Data Officer presence on Firm Performance. In: PACIS 2016, S. 213

[ZhM16] Zhan, X. / Mu, Y.: Examining the shareholder value effects of announcements of CDO positions. In: 13th International Conference on Service Systems and Service Management (ICSSSM), IEEE 2016, S. 1–6


Prof. Dr. Kristin Weber

ist Professorin für IT-Management und IT-Organisation an der FHWS - Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Sie lehrt, forscht und berät seit vielen Jahren erfolgreich zu den Themenstellungen Data Governance, Datenqualitätsmanagement, Master Data Management, Information Security Management und Information Security Awareness.

Bildnachweis:

[Bau17]